Der Sinn des Testes erschließt sich mir immer noch nicht - zumindest, wenn man sich die dazugehörigen Fragen anschaut:
Mal lässt sich die CDU, die den Test in Niedersachsen eingeführt hat, selbst feiern, indem sie bespielsweise verlangt, dass alle Befragten vorab lernen sollen, wer denn der "Kanzler der deutschen Einheit" ist. Dass das auch der "Bimbes-Kanzler" oder der Kanzler der schwarzen Kassen ist und durch seine mehrfachen Parteispendenskandale in Verruf geraten ist, wird hier geflissentlich verschwiegen, obwohl das für aufmerksame und kritische neue StaatbürgerInnen weit wichtiger wäre. Das gilt auch für die Abfrage, wer denn der erste deutsche Bundeskanzler war.
Mal werden Geographiekenntnisse ("Welches heutige deutsche Bundesland gehörte früher zum Gebiet der DDR?"), mal historisches Detailwissen abgefragt (War Deutschland Gründungsmitglied der EU? Oder der NATO?...), die nicht nur etliche Menschen mit deutschem Pass überhaupt nicht wissen, sondern auch keinen sinnvollen Bezug zur Einbürgerung haben.
Andere Fragestellungen sind zumindest verwirrend:
1. Natürlich sind Volkshochschulen in Deutschland ist eine "Einrichtung der Weiterbildung". Aber warum, so darf man mit einem Augenzwinkern fragen, sieht man dort so viele "Rentnerinnen und Rentner", was ebenfalls eine mögliche Antwort gewesen wäre?
2. Wenn es nicht zu den Aufgaben des deutschen Staates gehört, Urlaubsreisen für alle Staatsangehörigen zu bezahlen, warum lässt Kanzlerin Merkel den damaligen Chef der Deutschen Bank zumindest seinen 60. Geburtstag auf Staatskosten im Kanzleramt feiern (siehe http://www.spiegel.de/politik/deutschland/party-im-kanzleramt-ackermann…)?
3. Selbstverständlich wird bei der Bundestagswahl in Deutschland die Wahl des Parlaments für Deutschland durchgeführt. Indirekt aber auch die Wahl der Kanzlerin bzw. des Kanzlers. Sonst würde es ja keinen Sinn machen, dass die CDU 2009 den Wahlslogan "Wir wählen die Kanzlerin" (siehe http://www.kas.de/wf/de/71.8940/ ganz unten) oder bereits 1953 "Deutschland wählt Adenauer" (http://www.bundestag.de/blickpunkt/bilderInhalte/0506e/500px/0506e008c…) plakatiert hat.
4. Wenn es richtig ist, dass es nicht zu einem demokratischen Rechtsstaat gehört, dass "Menschen von einer Privatpolizei ohne Grund verhaftet werden", warum hat der US-amerikanische Geheimdienst genau das innerhalb der EU oder mit deutschen Staatsbürgern getan (siehe https://wcd.coe.int/ViewDoc.jsp?id=1168435 oder http://de.wikipedia.org/wiki/Murat_Kurnaz oder http://www.sueddeutsche.de/politik/rumaenien-geheimgefaengnis-der-cia-i… oder http://www.sueddeutsche.de/politik/us-geheimgefaengnisse-hier-cia-ausse…)? Soll es hier allen Ernstes um die Spitzfindigkeit gehen, dass der CIA keine private Polizei ist?
5. Vom "Koordinator für politische Bildung im Kultusministerium", der die richtige Antwort auf die Frage "Wo können Sie sich in Niedersachsen über politische Themen informieren?" habe ich auch mit abgeschlossenem politikwissenschaftlichen Studium noch nie etwas gehört. Das mag damit zusammenhängen, dass das Land Niedersachsen unter Führung von Christian Wulff die Landeszentrale für politische Bildung aufgelöst und lediglich durch den Koordinator ersetzt hat (siehe http://www.nlpb.de/ und http://www.sueddeutsche.de/karriere/einbuergerung-patzer-im-niedersachs…).
6. Dass es eine 5%-Hürde bei den Zweitstimmen zur Bundestagswahl gibt, ist ja richtig, doch kann sie durch die Erringung von drei Direktmandaten ausgehebelt werden (siehe Video "5%-Hürde" unter http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/bundestagswahlen/62534/wie-funkt…). Insofern suggeriert die Fragestellung fälschlicherweise, dass diese Hürde für jeden Fall gilt.
7. Ebenso ist die Frage "Welche Religion hat die europäische und deutsche Kultur geprägt?" missverständlich, weil dies hauptsächlich auf das Christentum, aber eben auch auf den Islam zutrifft (siehe http://www.taz.de/!94488/).
Alles in allem sind das Fragen, die für eine Einbürgerung kaum sinnvoll sind und in Teilen bestenfalls einem Einstellungstest ähneln - was sie nicht brauchbarer macht. Sinnvoller wären Fragen, welche Pflichten, aber vor allem Rechte und Möglichkeiten der EinwanderInnen - politisch, sozial und kulturell - deutlich herausstellen. Damit würde man den Grundstein für eine echte Willkommenskultur legen und für die Integration beste Voraussetzungen schaffen.