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Ich habe gerade ein Interview mit einem britischen Ökonomen gelesen, der über einige Gründe spekulierte. Demnach seien die meisten dieser Gründe nicht wirklich durch die EU verursacht.
1. Gesellschaftlicher Wandel
Hier geht es um die Liberalisierung der Gesellschaft, die viele konservativ eingestellte Menschen ablehnen oder die ihnen zumindest zu schnell geht. Ein Aspekt dieser Liberalisierung ist die Internationalisierung des öffentlichen Lebens. Deshalb empfinden diese Menschen die Veränderungen als Folge eines negativen Einflusses aus dem Ausland. In Wahrheit ist es aber ein Konflikt zwischen Stadt und Land, zwischen Jung und Alt, zwischen höherer und geringerer Bildung.
Ich meine, dass die Erfolge rechtspopulistischer Bewegungen in zahlreichen Ländern (auch Deutschland) durch ähnliche Mechanismen gefördert werden.
2. Arbeitsplatzverlust im produzierenden Gewerbe
In einigen Regionen Großbritanniens ist die Industrieproduktion nach dem EU-Beitritt spürbar zurückgegangen. Das liegt an der britischen Wirtschaftspolitik, die seitdem Dienstleistungen (vor allem Finanzdienstleistungen) stark in den Vordergrund gerückt und die materielle Produktion vernachlässigt hat. Den Grundstein dieser Wirtschaftspolitik legte Margeret Thatcher, die auch den EU-Beitritt aushandelte.
Die EU ist aber nicht der Grund für diese Entwicklung. Im Gegenteil hat die EU-Mitgliedschaft eine bessere Einbindung Großbritanniens in internationalisierte Produktionsprozesse ermöglicht, z.B. im Flugzeugbau.
3. Einwanderung in den Arbeitsmarkt
Die Einwanderung von EU-Bürgern empfinden offenbar viele Briten als Bedrohung ihrer Arbeitsplätze. Dieser Punkt ist also direkt mit der EU verbunden. Der genannte Ökonom meint aber, dass diese Einwanderung der Wirtschaft genützt und dadurch Arbeitsplätze geschaffen habe.
4. Versäumnisse bei der "Remain"-Kampagne
Die Kampagne der Cameron-Regierung zum Verbleib in der EU hat sich laut dieser Quelle einseitig auf wirtschaftliche Aspekte konzentriert und dabei mit abstrakten Wirtschaftszahlen operiert, zu denen viele Menschen keine Beziehung hatten. Die positiven Aspekte der Einwanderung seien nicht erwähnt worden, wodurch das Thema der Einwanderung komplett der "Leave"-Kampagne des politischen Gegners überlassen wurde.