Dann fange ich auch mal
Dann fange ich auch mal an.
Mein Name ist Amir, ich bin 34 Jahre alt und bin während des Bosnienkrieges, genauer gesagt 1992, als Flüchtling nach Deutschland gekommen. Selbstverständlich bin ich hier zur Schule gegangen und habe die Fachoberschulreife erreicht. Anschließend habe ich die höhere Handelsschule besucht. Nach der hö-Ha habe ich ein paar Jahre im Handel und im IT-Bereich gearbeitet. Vor etwa zehn Jahren habe ich mich für eine überbetriebliche Ausbildung zum Industriekaufmann entschieden. Diese habe ich in der Regelzeit von zwei Jahren mit einem sehr guten Ergebnis absolviert.
Nach der Ausbildung habe ich etwa vier Monate nach einer passenden Anstellung gesucht. Die Resonanz auf meine Bewerbungen war gut und ich hatte sowohl einige Vorstellungsgespräche als auch diverse Jobangebote im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung.
Nach etwa vier Monaten, wurde ich bei einem Konstruktionsbüro als technischer Sachbearbeiter eingestellt.
Das ist nun gut sieben Jahre her. Trotz der vielen wirtschaftlichen Up's und Down's, hat mein Arbeitgeber immer fest hinter mir gestanden. In den ersten fünf Anstellungsjahren habe ich sowohl in der technischen Sachbearbeitung als auch in vielen anderen Bereichen des Unternehmens gearbeitet. Immer dort, wo Not am Mann war, habe ich mit konstruktiven Lösungsvorschlägen oder mit Taten dazu beigetragen, das Unternehmen zu unterstützen.
Seit Sommer 2013 bekleide ich eine leitende Position in diesem Unternehmen und bin gesamtumfänglich für einen ganzen Produktbereich inklusive des dazu gehörenden Teams verantwortlich.
Zusätzlich zu dieser Aufgabe, habe ich 2010 mit zwei meiner ehemaligen Arbeitskollegen ein Unternehmen im Bereich der digitalen Medien gegründet, welches stetig ausgebaut wird und sich gut am regionalen Markt positionieren konnte.
In diesen 22 Jahren, in denen ich in Deutschland lebe, bin ich als Muslime, Ausländer, Flüchtling, Südländer und Balkanese NIEMALS, weder direkt noch indirekt, mit Fremdenfeindlichkeit konfrontiert worden.
Ich verstecke mich nicht und ich leugne weder meine Herkunft noch meinen Glauben, dennoch hat das bisher keinerlei Auswirkung auf meine private und meine berufliche Laufbahn gehabt.
Der einzige Unterschied zwischen mir und vielen Ausländern ist, dass ich mir kein homogenes Umfeld aufgebaut habe und allen Menschen, unabhängig von Herkunft, Glaube, Tradition und Gesinnung offen und liberal begegne.
Auch anfangs, als mein Deutsch noch nicht so gut war, habe ich nie das Verlangen gehabt, mich ausschließlich mit meinen Landsleuten abzugeben, sondern habe aktiv den Kontakt zu allen hier lebenden Menschen gesucht.
Als leitender Angestellter, bekomme ich oft Bewerbungsunterlagen auf den Tisch. Und ich muss sagen, dass es schon sehr große qualitative Unterschiede bei den Bewerbungen gibt. Diese beruhen aber weniger auf geografischen und kulturellen Unterschieden. Viel mehr ist es der Bildungsgrad des Bewerbers, dem eine gute oder eine schlechte Bewerbung zuzuschreiben ist.
Was ich immer wieder feststelle, ist die Tatsache, dass die Bewerber massenhaft durch sogenannte Bewerbungs-Trainings geschleust werden. Diese Bewerbungen haben leider keinerlei persönlichen Charme und der Informationsgehalt ist mehr als dürftig. Hinzu kommt, dass die Trainer entweder nicht richtig auf die grammatikalische und rechtschreibtechnische Fehlerfreiheit der Bewerbungsunterlagen achten, oder es selbst einfach nicht besser wissen.
Zu diesem Schluss komme ich einfach aus der Tatsache, dass nach der Rücksprache mit den Bewerbern, klar und deutlich wird, dass diese Bewerbungen eben das Resultat dieser überbezahlten Trainings sind und von den jeweiligen Coaches zum Versand freigegeben wurden.
Ich denke, als in Deutschland lebender Ausländer, darf man sich nicht in eine Parallelgesellschaft begeben und sollte verpflichtet werden, sich mit seinem Umfeld zu beschäftigen.
Es geht da nicht um Assimilation, sondern um einen gesunden Dialog und eine Offenheit dem Land gegenüber, welches einen aufgenommen hat und ihm alle allgemein geltenden Rechte und Pflichten auferlegt hat, wie allen seinen Bürgern.
Am schlimmsten finde ich es, dass viele kulturelle Forderungen und Gegebenheiten unter dem Deckmantel des Glaubens propagiert und eingefordert werden. Würden sie sich mit ihrem Glauben beschäftigen, wüssten sie, dass es ihre Pflicht ist sich zu integrieren und mit seinen Mitmenschen zu interagieren, sie zu schätzen, sich gegenseitig zu helfen und nicht mit zweierlei Maß zu messen.
Nun habe ich viel mehr gesagt, als ich sagen wollte.
Mit besten Grüßen
Amir