Kurden fordern ihre Rechte
Rund 150 kurdische und deutsche Politiker, Wissenschaftler und Verbandsvertreter haben am Mittwoch im Berliner Abgeordnetenhaus die Anerkennung der Kurdinnen und Kurden als eigenständige Migrantengruppe und die Aufhebung des 1993 erlassenen Verbots der kurdischen Arbeiterpartei PKK gefordert.
Zu der ganztägigen Konferenz »Kurden in Deutschland« hatten die Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland (YEK-KOM) und Giyasettin Sayan eingeladen, der als Vertreter der Linkspartei im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt. Mitveranstalter waren unter anderem die Internationale Liga für Menschenrechte und der Deutsch-Arabische Dachverband (DAD e.V.).
Bislang gelten die in der BRD lebenden Kurden gemäß ihrer Staatsbürgerschaft als Türken, Syrer, Iraner oder Araber. Über ihre genaue Zahl gibt es daher widersprüchliche Angaben zwischen 600000 und einer Million. Zum Großteil sind sie aus der Türkei eingewandert – als Arbeitsmigranten oder als Flüchtlinge, um der Verfolgung durch die türkische Armee in den 1990er Jahren zu entkommen. Viele von ihnen sind bis heute traumatisiert, leben noch immer mit unsicherem Aufenthaltstatus oder haben sogar ihr einmal gewährtes Asylrecht wieder verloren. Beratungs- und Betreuungsangebote sowie Informationsmaterialien in kurdischer Sprache sind nur verfügbar, wenn sich in Vereinen genug Ehrenamtliche mit sehr guten Deutsch- und Amtsdeutschkenntnissen finden. Eine Gleichstellung etwa mit den in Deutschland lebenden Türken und Griechen würde das Recht auf muttersprachlichen Ergänzungsunterricht für kurdische Schüler in der BRD beinhalten und ebenso die Gleichbehandlung bei den fremdsprachigen Sendungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.
Als prominenter Gast war der Oberbürgermeister der kurdischen Metropole Diyarbakir (Südosttürkei), Osman Baydemir, eingeladen. Er sprach vor allem über die Integration vieler tausend Inlandsflüchtlinge in die Stadtgesellschaft. Baydemirs Partei der demokratischen Gesellschaft (DTP) gilt als radikal basisdemokratisch und ist in den armen Vierteln mit ihren Stadtteilräten fest verankert.
Die Konferenzteilnehmer sprachen sich zudem gegen die Kriminalisierung aus, der politisch aktive Kurden in der BRD seit dem PKK-Verbot im Jahr 1993 ausgesetzt sind. »Dieses Verbot ist ein Anachronismus«, erklärte der Rechtsanwalt und Publizist Dr. Rolf Gössner. Die politische Lage habe sich seit den Autobahnblockaden kurdischer Aktivisten in Deutschland Anfang der 1990er Jahre massiv geändert. Der in der Türkei inhaftierte PKK-Gründer Abdullah Öcalan setze sich glaubwürdig für einen friedliche Lösung des Konflikts ein. Dies bekräftigte auch der Völkerrechtler und Bundestagsabgeordnete (Die Linke), Norman Paech, der unter großem Applaus die Freilassung Öcalans forderte.
Um deutlich zu machen, was die Kriminalisierung in Deutschland für Kinder und Jugendliche bedeutet, berichtete ein kurdischstämmiger Student von einer Hausdurchsuchung durch bewaffnete deutsche Polizisten, die er im Alter von 13 Jahren erleben mußte »Ich wurde wie ein Terrorist behandelt, nur weil mein Vater sich für die Rechte der Kurden eingesetzt hat.« Deswegen habe er trotz seines deutschen Abiturs heute noch das Gefühl, mit einem Bein außerhalb der Gesellschaft zu stehen.
In einer von den Konferenzteilnehmern verabschiedeten »Berliner Erklärung für die Gleichstellung der Kurdinnen und Kurden mit anderen Migrantengruppen« wird unter anderem gefordert, die Betätigungsverbote für kurdische Medien wie den Fernsehsender ROJ TV aufzuheben. Außerdem dürfe kurdischen Flüchtlingen »einmal gewährtes Asylrecht nicht durch Widerrufsverfahren entzogen werden«, heißt es in dem zehn Punkte umfassenden Papier.
Junge Welt