Immer wieder höre ich von Menschen mit Migrationsbackground, dass alles in Deutschland sich nach Arbeit orientiert.
Ich höre Sätze wie "In Deutschland arbeitet man nur, für das Leben und Familie hat man keine Zeit ".
Die Begründung ist unterschiedlich aber das Gefühl haben offenbar viele Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Kontinente.
Was ist eure Erfahrung dazu?
Arbeiten ist in Deutschland…
Arbeiten ist in Deutschland sehr wichtig. Die Arbeitszeiten werden immer flexibler und auch Firmen orientieren sich immer wieder neu. Homeoffice wird immer beliebter.
Aber mental muss man dabei sein. Wenn die Leistung nicht stimmt, kann man nicht lange bleiben.
Eine Leistungsgesellschaft hat halt Vorteile aber auch Nachteile.
Ich denke, hier steckt eine einseitige Betrachtung dahinter. Es gibt tatsächlich Aspekte, die diese Aussage unterstützen. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit.
Zum Beispiel haben viele Menschen in Japan und einigen anderen asiatischen Staaten in Bezug auf die Arbeit ein besonders großes Pflichtbewusstsein. Und Menschen aus den USA sind immer wieder erstaunt, wenn sie erfahren wie viele Urlaubstage es in Deutschland per Gesetz gibt. Die "Work-Life-Balance", die gerade als Modewort die Runde macht, sehen viele als einen Vorzug leistungsfähiger Industriegesellschaften an.
Oder ein ganz anderes Beispiel: Ein Migrant, der einen kleinen Imbiss oder Spätverkauf betreibt, arbeitet wahrscheinlich länger und härter als ein deutscher Büroangestellter. Zu besonderem Reichtum wird er dadurch vermutlich nicht kommen. Aber diese Form von Arbeit wird anders empfunden, man hat das Gefühl "für sich selber" zu arbeiten und nicht für andere.
Eine Sache, die vielleicht wirklich zur deutschen Mentalität gehört, ist das soziale Prestige des Arbeitens. Die Wertschätzung, die ein Mensch (auch im privaten Umfeld) erhält, hängt gewöhnlich auch mit seinen beruflichen Leistungen und Erfolgen zusammen. Ein erfolgreiches Berufsleben ist eine Selbstbestätigung, man kann stolz sein auf das, was man geleistet hat. Damit definiert sich quasi eine nützliche Rolle in der Gesellschaft: Man hat etwas beigetragen und nicht auf Kosten der Anderen gelebt.
Womit natürlich noch der wichtigste Punkt erwähnt werden muss: Zum Leben braucht man Geld, und die Arbeit ist der Weg dazu. Hier gibt es große Unterschiede, die im Wesentlichen durch den Qualifikationsgrad angetrieben werden. Mit einer guten Ausbildung (Facharbeiter, Studium etc.) kann ich einen gut bezahlten Job – ggf. auch mit flexibler Arbeitszeit – finden. Niedrig qualifizierte Arbeit wird viel schlechter bezahlt, auch wenn sie z.B. anstrengend und gefährlich ist. Gerade bei einer solchen Form von Arbeit muss man also besonders viel arbeiten, um ausreichend Geld zu bekommen.