Guten Tag.
Jahrhundertelang hat man mit dem Begriff (die) "Einwohner" alle Menschen gemeint, die in einem Ort/Gebiet leben. Dabei musste man gar nicht darüber nachdenken, ob damit Männer, Frauen oder Kinder gemeint sind.
Das Formell war einfach:
Einwohner = Frauen + Männer + Kinder
Warum muss man jetzt Einwohner*innen sagen? Ich finde es extrem störend, auch wenn es gut gemeint ist. Ich höre jetzt immer wieder und überall "Einwohnerinnen und Einwohner" oder "Antifaschistinnen und Antifaschisten" oder "Touristinnen und Touristen" usw.
Ist dieses Gendering nicht lästig?
Problemlösung --> neues Problem
Altes Problem:
Plurale wie "die Gewinner, die Apotheker, die Minister" können grammatisch als Überbegriff für Männer und Frauen dienen. Aber die Assoziation beim Zuhörer ist trotzdem auf Männer konzentriert, das ist ein Problem.
Aktueller Lösungsversuch:
Die hier diskutierte Genderung, z.B. so: "die Gewinner_innen, die Apotheker*innen, die Minister:innen". Hierdurch wird (sehr intensiv) darauf hingewiesen, dass Frauen dazugehören.
Neues Problem:
Jetzt ist aber die Assoziation zu den Männern zu gering. Man probiere es z.B. mal mit "die Gauner_innen, die Faschist*innen, die Diktator:innen". Am besten im gesprochenen Wort. Stellen sich die Zuhörer jetzt wirklich Männer und Frauen in gleichem Maße vor? Nein, sie denken stärker an Frauen.
Bundesregierung
Die zur Zeit noch amtierende Bundesfrauenministerin(*) Christine Lambrecht hat (laut Presseberichten) festgelegt, dass in den Publikationen des Bundes keine Satzzeichen für die "Genderung" benutzt werden sollen. Das heißt die Sternchen, Grundstriche, Doppelpunkte usw. sind gar nicht erwünscht. Der Deutsche Rechtschreibrat sieht das übrigens auch so.
(*)
Korrekt ist sie "Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend". Sie ist also für alle Menschen zuständig außer für ledige kinderlose Männer mittleren Alters. ;-)
Gleichzeitig ist sie übrigens Justizministerin.
"Kein geeignetes Mittel"
Der Rat für deutsche Rechtschreibung und die Gesellschaft für deutsche Sprache, zwei regierungsnahe Organisationen, haben sich gegen die Genderung mittels besonderer Zeichen im Wortinneren ausgesprochen. Sie befürworten zwar die geschlechtergerechte Sprache, raten aber von Gender-Sternchen (Lehrer*innen), Gender-Gap (Lehrer_innen), Gender-Doppelpunkt (Lehrer:innen), Mediopunkt (Lehrer·innen), Binnen-I (LehrerInnen) und dergleichen Konstruktionen ausdrücklich ab.
Als Gründe werden unter anderem genannt:
- Die Verständlichkeit von Texten wird gestört.
- Die Erlernbarkeit der Sprache wird erschwert.
- Die Einheitlichkeit der Rechschreibung geht verloren.
- Das maschinelle Vorlesen und das maschinelle Übersetzen werden erschwert.
- Die Konzentration auf die wesentlichen Informationen von Texten wird gestört.
Eine endgültige Lösung haben diese Organisationen bisher auch nicht. Zur Zeit betrachten sie Doppelnennungen (Lehrerinnen und Lehrer, Lehrerinnen/Lehrer) und neutralisierende Ersatzbegriffe (Lehrende, Lehrkräfte) als die am ehesten geeigneten Mittel.
Bayern
Dazu wurde gerade gemeldet, dass die Bayerische Landesregierung für Einrichtungen des Landes (Behörden, Schulen, Unis) das Gendern sogar untersagt hat, per Kabinettsbeschluss. Im dienstlichen Schriftverkehr einschließlich Publikationen, Internet, Unterricht und Lehrmaterial dürfen besondere Zeichen oder Großbuchstaben im Inneren von Wörtern nicht verwendet werden.
Die Doppelnennungen und die neutralisierenden Ersatzbegriffe, die den Rechtschreibregeln nicht widersprechen, sind davon offenbar nicht betroffen. In Schülerarbeiten sollen Gendersternchen etc. zwar als Regelwidrigkeit gekennzeichnet, aber nicht als Fehler gewertet werden.
Die deutsche Sprache ist leider so aufgebaut, dass sehr oft Konflikte zwischen dem grammatischen Geschlecht (Genus) einerseits und dem biologischen und dem sozialen Geschlecht (Sexus und Gender) andererseits auftreten. Im häufigsten Fall ist als Oberbegriff für männliche und weibliche Individuen nur die männliche Form verfügbar, das "generische Maskulinum".
Dieses Dilemma durch sprachfremde Sonderkonstruktionen zu lösen, wie z.B.
finde ich aber nicht sinnvoll. Auf diese Weise wird Irritation und Ablehnung provoziert, und für das eigentliche Anliegen entsteht ein Schaden anstatt eines Nutzens. Wenn man beobachtet, wie des Öfteren neue Varianten auftauchen, ohne dass dabei eine bessere Akzeptanz erzielt wird, kann man erkennen dass dieser Weg nicht funktioniert.
Es gibt auch Varianten, die im Rahmen der sprachlichen Regeln bleiben, wie
aber diese sind entweder umständlich oder sie verschieben den Sinn. Im Notfall würde ich die umständliche Variante am ehesten akzeptieren, denn man sagt ja auch "Meine Damen und Herren" oder "Genossinnen und Genossen".
Im Übrigen "muss" man gar nicht so reden, es gibt kein Gesetz dazu und auch keine neuen Grammatikregeln. Vielmehr gibt es eine Art sozialen Druck, dem man nachgeben kann oder auch nicht. (Es gibt auch einen sozialen Druck, dass man Sandalen nicht mit Socken tragen soll, trotzdem mache ich es.)
Bemerkung: Manche Organisationen, darunter viele Behörden und Bildungsanstalten, haben tatsächlich Regeln zum Gendern aufgeschrieben (übrigens sehr unterschiedlich) und versuchen sie bei ihren Angestellten durchzusetzen.
Nebenbei gesagt, bei negativ besetzten Begriffen wird nach meiner Beobachtung viel weniger gegendert. Formulierungen wie "Mörder*innen", "Vollidiot:innen" oder "Rassistinnen und Rassisten" sind anscheinend nicht 'korrekt'.
→ Hier und → hier sind weitere Diskussionen zum Thema.
P.S.:
Übrigens gibt es auch generische Feminina, aber bei Weitem nicht so viele. Zum Beispiel: