Hallo,
ich hoffe ihr könnt mir helfen.
Meine Mutter hat die griechische Staatsbürgerschaft, ist aber in Deutschland geboren, spricht fließend deutsch und nur ganz wenig griechisch, ist mit einem Deutschen verheiratet und hat 2 deutsche Kinder, sie war selbst noch nie in Griechenland.
Sie hat leider gar keinen Schulabschluss oder eine abgeschlossene Ausbildung, hat lange von Hartz 4 gelebt und ist jetzt Frührentnerin.
Ihre Mutter hat sie immer bei der Ausweisverlängerung unterstützt, ist aber mitlerweile verstorben. Nun ist der Ausweis meiner Mutter abgelaufen und hat zur Verlängerung erst einen Termin im Juni 2022 erhalten.
Ich sage meiner Mutter seit Jahren, dass sie sich einbürgern lassen soll, das möchte sie auch, aber die Bürokratie ist hoch. Ich hatte mal mit dem Amt gesprochen, sie muss auf jeden Fall einen Deutschtest machen. Den würde meine Mutter mit Bravour bestehen, allerdings hat sie panische Angst zu versagen, weshalb sie die Einbürgerung nunmehr als 10 Jahre vor sich hin schiebt.
Ich selbst wohne zu weit weg, als dass ich sie hierbei unterstützen kann.
Was kann nun passieren, da der Ausweis abgelaufen ist? Gibt es irgendwelche Möglichkeiten, den Deutschtest zu umgehen? Gibt es finanzielle Unterstützung bei der Einbürgerung, also dem Vorgang selbst?
Meine Mutter ist krankheitsbedingt ziemlich angeschlagen und auch psychisch sehr labil und hat Angst abgeschoben zu werden, wenn das Problem weg wäre, wäre das ein großer Meilenstein.
Danke und viele Grüße
Kleene02
Ausnahme
Natürlich gibt es Ausnahmen, und eine passt hier:
"(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann." (StAG § 10 Abs. 6)
Mit "Nr. 6 und 7" sind der Deutschtest und der Einbürgerungstest gemeint. Der Paragraf 10 behandelt die Anspruchseinbürgerung.
Eine seelische Krankheit sehe ich hier ganz deutlich. Natürlich wird ein Attest vom Arzt gebraucht. Da könnte zum Beispiel drinstehen, dass man ihr keine Prüfungssituation zumuten kann.
Im Paragrafen der Ermessenseinbürgerung (StAG § 8) steht übrigens nichts von deutscher Sprache. Das wäre eine weitere Möglichkeit.
Das komplette Gesetz ist hier: https://www.gesetze-im-internet.de/stag/index.html
Im Übrigen verliert man seine Staatsbürgerschaft nicht dadurch, dass ein Ausweis (ich nehme an der griechische) abläuft. Das Aufenthaltsrecht in Deutschland hat sie mindestens durch die EU-Bürgerschaft und wahrscheinlich außerdem als Ehefrau eines Deutschen.
Nebenbei gesagt kann der mehrjährige Besuch einer deutschen Schule evtl. auch dann gewertet werden, wenn es keinen Schulabschluss gibt.
"Anwendungshinweise"
Zum StAG gibt es "Anwendungshinweise", die viele Sachen genauer festlegen und die die Ämtern benutzen müssen:
→ Vorläufige Anwendungshinweise des BMI zum StAG (VAH-StAG)
Hier stehen auch zum Sprachnachweis interessante Sachen drin. In Bezug auf die Anspruchseinbürgerung (§ 10 StAG) ist das der Punkt 10.1.1.6. (Seiten 27+28). Demnach ist ein Sprachzeugnis (mindestens B1) zwar der Normalfall, es gibt aber (nach Ermessen des Amtes) auch andere Möglichkeiten. Im Einzelnen (Auszug):
- vier Jahre Schulbesuch einer deutschsprachigen Schule, mit Versetzung in die nächste Klasse (kein Abschluss nötig),
- erfolgreiche Versetzung in die zehnte Klasse einer deutschsprachigen Schule (kein Abschluss nötig),
- "der Einbürgerungsbewerber verfügt nach der in einem persönlichen Gespräch gewonnenen Überzeugung der Staatsangehörigkeitsbehörde offensichtlich über die geforderten Sprachkenntnisse".
Letzteres heißt, dass ein gutwilliger Sachbearbeiter bei einem offensichtlichen Deutsch-Muttersprachler einfach selber die Sprache abhaken kann.
Zu den Ausnahmen wegen Krankheit oder Behinderung stehen in dem Papier allerdings Einschränkungen (Punkt 10.6., Seite 31). Demnach müsste die Krankheit den Bewerber beim Erlangen der geforderten Fähigkeit behindern. Hier behindert sie ihn aber nur beim Durchführen der Prüfung, da ist also wieder die Frage wie der Sachbearbeiter das bewertet. Dennoch sollte ein entsprechendes ärztliches Attest ausreichen, um die Alternative mit dem "persönlichen Gespräch" möglich zu machen.
Bei der Ermessenseinbürgerung (§ 8 StAG) sehe ich leider eine Einschränkung: Zur "Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse" wird hier auch die deutsche Sprache gezählt, mit denselben Maßstäben wie bei der Anspruchseinbürgerung. So dass die Ermessenseinbürgerung in diesem Punkt vermutlich keinen Vorteil bringt.
Bei der Ehegatteneinbürgerung (§ 9 StAG) werden nun Sprachkenntnisse auf B1-Niveau gefordert, das war früher offenbar etwas lockerer.
Wer sich einbürgern lassen will, muss man leider mind. B1 Zertifikat oder eine abgeschlossene Ausbildung bzw. einen Deutschen Schulabschluss haben. Ehrlich gesagt, B1 ist wirklich super einfach.